Pressemitteilung 03.08.2005
Märkische Allgemeine, Perleberg

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Der lange Weg nach "Pörlebörg"


US-Bomberpilot Henry D. Chandler besuchte gestern die Stelle, an der er 1945 abgeschossen wurde
von Andreas König


"Oh, aha." Der alte Mann nimmt das Stück vermoderten Gummi in die Hand und betrachtet es nachdenklich. Das also soll vom Tank seiner B 17 Flying Fortress, Kampfname "TNT-Katie" übrig geblieben sein? Henry D. Chandler aus Dorset im US-Bundesstaat Vermont ist seit ein paar Tagen in Brandenburg unterwegs, um jene Schicksalsorte zu sehen, die seine Erinnerungen bis heute bewegen. Das Flugzeug hatte seine Bombenlast am 10. April 1945 gerade über Oranienburg abgeworfen: Es waren sechs 1000-Pfund-Bomben. 20 Minuten später endete sein Rückflug auf einem Ackerstück nahe Bollbrück bei Perleberg. Eine Eisenbahnflak hatte seine Maschine getroffen. Von neun Besatzungsmitgliedern überlebten nur drei. Wie der damalige First Lieutenant letztlich zur Erde herunter gekommen ist, weiß er nicht mehr. Doch er erinnert sich noch, dass der Steuerknüppel und die wichtigsten Bedienelemente weg waren. Der Pilot saß sozusagen im Freien. Kurz darauf fand er sich in der Gewalt deutscher Soldaten wieder, die ihn für eine Nacht ins Gefängnis nach Perleberg, "Pörlebörg", wie er es ausspricht, brachten. Lange brauchte er nicht in Gefangenschaft zu verbringen, der Krieg war ja wenig später zu Ende. Doch in die "Ostzone" durfte der amerikanische Offizier nicht zurück, obwohl er in später in Deutschland, in Bremen, arbeitete. Der Wunsch, die Absturzstelle zu sehen, blieb über all die Jahre. Seine gute Freundin Barbara Holland hatte wiederum eine gute Freundin in Deutschland. Deren Großneffe Christian Meier aus Berlin setzte alles in Bewegung, um den Wunsch des Kriegsveteranen zu erfüllen. In Mario Schulze, Mitglied der "Arbeitsgemeinschaft Fliegerschicksale Oranienburg", fand er einen profunden Kenner der Materie. Der wiederum nahm mit Hobbyhistoriker Jürgen Freitag aus Perleberg Kontakt auf, der die Absturzstelle kannte.

Gestern kann Henry D. Chandler selbst Teile seiner Maschine vom Boden aufsammeln. Jürgen Freitag hält ihm ständig entweder neue Wrackteile, meist aus Aluminium oder sein Diktiergerät hin. Der alte Mann schaut kurz hin und dann scheinen seine Augen durch ihn hindurch zu blicken, ganz woanders hin: zurück in die Vergangenheit.