Pressemitteilung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Oranienburger Generalanzeiger, 26.05.2004

"Tornado" - Absturz bei Germendorf

Mitglieder der Oranienburger "Arbeitsgemeinschaft Fliegerschicksale" rekonstruieren Flugzeugabsturz von vor 60 Jahren

(auszugsweise)

Von Mario Schulze

Bei der Rückkehr von einer Studienreise nach London im April diesen Jahres erwartete uns eine besondere Überraschung. Die Historikerin der 95US-Bombegruppe hatte uns den 60-seitigen Untersuchungsbericht zum Abschuss eines B-1 7 Bombers eben jener Gruppe geschickt. Dieses Flugzeug stürzte am 24. Mai 1944 nach einem Angriff auf Berlin genau auf die Bahngleise bei Germendorf. Von den zehn Männern an Bord überlebten nur drei. ...

Am 24. Mai 1944 bombardieren Einheiten der 8.US-Luftwaffe zum letzten Mal vor der geplanten Invasion die deutsche Reichshauptstadt. Auch die 95. Bombardement Group fliegt diesen Einsatz. Unter den 18 Maschinen, die das Ziel erreichen ist die B-17G mit dem Spitznamen “Tornado“. Ihr Pilot ist Leutnant William T. Sheehan aus Madison, Tennessee. ...

Wenige Sekunden nachdem sie sich ihrer Bombenlast über ihrem Ziel entledigt hatten, wurde das Flugzeug von der FLAK getroffen....

Doch in diesem Augenblick tauchen drei deutsche Jagdflugzeuge hinter dem Bomber auf. “Da kommen sie“, schreit der Heckschütze Orin Burgman. Das sind seine letzten Worte, denn er wird Sekunden später getötet, als seine Munitionsboxen infolge von Treffern explodieren. ...

Er und vier weitere Männer können das Flugzeug noch verlassen. Was dann geschieht wurde auch vom Boden aus beobachtet. Gegen 11.35 Uhr wurde in der Provinz Brandenburg Entwarnung gegeben. Auch die Einwohner von Oranienburg und Germendorf verlassen die schützenden Keller. Wenige Minuten später beobachten einige Menschen, wie ein viermotoriger Bomber bei Germendorf von deutschen Jagdflugzeugen angegriffen wurde. In Germendorf eilten die Leute wieder zurück in die Unterstände. Doch einige wenige sehen, wie der Bomber getroffen wird und kurz darauf abstürzt. Sie sehen auch, wie etliche Männer aus dem Flugzeug abspringen....

Der Ort wird kurz darauf von Soldaten der Luftbeobachtungsstelle in Germendorf und einer Eisenbahn-Flak-Einheit abgeriegelt. Dennoch drängten sich Schaulustige um dieses schreckliche Szenario. Nach einer Weile tauchte an der Absturzstelle ein deutscher Flieger auf, der sich als Jagdflieger zu erkennen gab, der diesen Bomber abgeschossen hatte. ...

Das Wrack der “Tornado" wurde, nachdem der Brand gelöscht war, von dem Bahndamm herunter gezogen. Dabei wurden die toten Besatzungsmitglieder geborgen. Der deutsche KU-Report berichtet von sieben Toten, bei zwei Leichen konnten keinerlei Hinweise auf deren Identität gefunden werden. Diese beiden waren der Bordmechaniker Gregory Aversa und der Pilot William T. Sheehan, denn ihre Namen tauchen in dem deutschen Bericht nicht auf. ...

Die drei abgesprungenen Flieger werden mittags in Oranienburg der örtlichen Polizei übergeben, die die Gefangenen zum Luftwaffenstützpunkt in Schönwalde überführt. ...

Gerome Hentz fand seine letzte Ruhe auf dem Ardennen-Friedhof in Belgien. Beck und Temple wurden in ihre Heimatgemeinden übergeführt. Der Pilot William T. Sheehan, Aversa, Burgman und Rosenberg wurden zusammen mit den neun Toten der Wassel-Crew zum Arlington National Cemetery bei Washington,DC übergeführt und dort am 27. Februar 1952 zur letzten Ruhe gebettet.

Im Oktober 1999 wurde unsere AG zum ersten Mal durch Zeitzeugen auf diesen Flugzeugabsturz und dessen tragische Begleitumstände aufmerksam gemacht. Bei einer späteren Besichtigung mit einem der Zeugen fiel uns ein Haufen alter Steine auf, die aus dem alten Gleisbett stammten. Aus ihm lugten etliche Wrackteile des Bombers heraus. Bei der Untersuchung dieses “zusammengekehrten“ Haufens wurden neben einigen Uniformresten und völlig ausgeglühter Fallschirmschnallen auch beide (!) Erkennungsmarken des Bordmechanikers Aversa geborgen. Die beiden verbeulten und ausgeglühten Metallstücke ließen keinen Zweifel über das Schicksal dieses Menschen. Wir begannen mit der Recherche, ob diesem Mann ein ordentliches Begräbnis zuteil wurde und waren später erleichtert zu erfahren, dass dem so ist. Nach monatelanger Suche nach einer für diesen Fall zuständigen US-Behörde, wurde der Kontakt zur United States Army Memorial Affairs hergestellt und im Juni 2000 erfolgte dann der Besuch des Direktors der europäischen Abteilung dieser Behörde in Oranienburg. Mr. David Roath übernahm die Erkennungsmarken und alle weiteren Ausrüstungsgegenstände, die somit wieder in den Besitz der US-Armee, dem rechtmäßigen Eigentümer übergingen. ...

Dieser Fall wird Anfang Juni 2004 einen vorläufigen Höhepunkt finden. Im Februar 2004 kontaktierte uns ein Verwandter des Piloten. Als die Familienangehörigen von William T. Sheehan Anfang diesen Jahres zum ersten Mal von der Arbeit unserer Gruppe erfuhren, beschlossen der Neffe des Piloten und seine beiden Söhne kurzerhand, während ihrer schon seit langem geplanten Irlandreise, einen Kurzbesuch nach Oranienburg zu unternehmen. ...